Wie geht man mit einer schweren Diagnose um?

Mittwoch, 1.02.2023
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Wie verhalte ich mich nach einer schlimmen Diagnose in meinem Umfeld? Was kann ich tun, wenn ich selbst eine derartige Diagnose erhalte? Diese Frage beantwortet Dir unser Experte Jörg Weitz.

Es gibt Situationen im Leben, mit denen man sich am liebsten nicht auseinandersetzen würde – und doch treten derartige Situationen ein, und zwar oftmals ohne eine Vorbereitungszeit: Eine schlimme Erkrankung stellt die Lebenssituation nicht nur für die betroffene Person, sondern auch für Partner, Familie und das sonstige soziale Umfeld vollkommen auf den Kopf.

Dabei folgt dem ersten Schock eine gewisse Sprachlosigkeit aller Beteiligten. Was vollkommen in Ordnung ist, denn wir dürfen uns den Druck nehmen, immer sofort die richtigen Worte finden zu müssen. Der mentale Stress kann in diesem Moment dazu führen, dass es schwer sein dürfte einen rationalen Gedanken zu fassen.

Emotionen und Gefühlsschwankungen

Typisch nach einer solchen Diagnose ist oftmals, dass die Betroffenen in stark schwankenden emotionalen Phasen unterwegs sein können. Denn unmittelbar nach dem Schockzustand sind unterschiedliche Emotionen für eben jene Gefühlsschwankungen verantwortlich: Von einer gewissen Hilflosigkeit der Situation gegenüber, über eine Traurigkeit aber auch Wut oder Fassungslosigkeit, warum ausgerechnet „einem selbst“ diese Situation widerfahren muss. Unterschiedliche persönliche und individuelle Stressverstärker können mit dazu führen, dass die Umstände und die Verhaltensweisen äußerst unterschiedlich interpretiert werden können. Das macht es dem eigenen persönlichen Umfeld nicht einfach, mit der vertrauten Person umzugehen.

Die Balance zwischen Freiraum und „da sein“

Oftmals entsteht dann der Effekt, dass das soziale Umfeld sehr um das Wohlergehen der erkrankten Person bemüht ist. Und grundsätzlich ist das enorme Kümmern gut gemeint – jedoch kann es auch zu einem zusätzlichen Stressfaktor werden. Denn während es Menschen gibt, die auch in diesen nicht einfachen Zeiten das Gespräch suchen, so gibt es ebenfalls Personen, die sich gerne einmal zurückziehen, um die Situation besser reflektieren und verarbeiten zu können.

Hier gilt es für alle beteiligten Personen zielgerichtet zu kommunizieren: Die betroffene Person sollte sich trauen zu sagen, was ihr in dieser Situation gut tun würde – ohne Angst davor haben zu müssen, dass sie Menschen dadurch vor den Kopf stoßen könnte.

Foto: © Olha Rohulya. Adobe Stock
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Das soziale Umfeld der Person sollte klar die Frage stellen, was der betroffenen Person guttun würde, wenn es nicht kommuniziert wurde. Die richtige Waage zwischen Freiraum lassen und dem Gefühl zu geben, jederzeit für die Person da zu sein ist hier der richtige Umgang.

Optimismus und Akzeptanz

Entscheidend ist in dieser Lebenssituation ebenfalls, wie ich mental mit dieser Lebenssituation umgehe. Wenn man sich mit Resilienz (Umgang mit schwierigen Lebenssituationen) auseinandersetzt, dann spielen Optimismus und Akzeptanz eine wichtige Rolle. Dabei wird der Optimismus als eine Fähigkeit definiert, hoffnungsvoll und positiv in die Zukunft zu blicken und an eine gute Entwicklung der Dinge zu glauben. Würde man dieses Thema weiter vertiefen, dann lautet die Definition weiter, dass Optimisten wissen, dass sie selber die Kraft haben, ihr eigenes Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Und diesen Passus kann man nach der Diagnose einer schweren Erkrankung natürlich nicht so stehen lassen, denn gewisse Dinge – gerade im gesundheitlichen Kontext – haben wir nicht selber in der Hand.

Wohlfühlen: Ein Mann steht in der Abenddämmerung auf einem Kornfeld
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Daher wird an diesem Punkt die Akzeptanz wichtig: Akzeptanz bedeutet, Situationen, die bereits eingetreten und nicht mehr zu verändern sind, anzunehmen und die Vergangenheit vergangen sein zu lassen.

Das bedeutet, dass ich in dem Moment die Situation nur annehmen kann, um dann in einen weiteren Lösungsprozess zu gehen. Dies ist ein Prozess, der nur von der betroffenen Person selbst ausgehen kann – als angehörige oder nahestehende Person sollte man daher auf positive und pauschalisierte Plattitüden („Das wird schon wieder!) verzichten. Auch hier kann eine klare Kommunikation, eine klare Frage helfen, richtig mit der Situation umgehen zu können. Fragen Sie die betroffene Person, wie es ihr am liebsten wäre, mit dieser Situation gemeinsam umzugehen.

Machen Sie Ihrem Gegenüber vorsichtig Gesprächsangebote. Sollten Sie das Gefühl haben, dass neben einem permanenten Rückzug auch eine ungewohnt langanhaltende bedrückte Stimmung vorherrscht, dann könnte es durchaus ratsam sein die betroffene Person davon zu überzeugen, dass eine ärztliche Hilfe zur Verbesserung der Situation beitragen könnte.

Nichts persönlich nehmen

Nehmen Sie es als Angehörige nicht persönlich, wenn ihre Hilfsangebote permanent abgelehnt werden. Und vor allen Dingen: Werden Sie sich bewusst darüber, dass bei jeglicher Fürsorge für die betroffene Person, auch Sie indirekt betroffen sein können. Denn aus Studien wissen wir, dass Angehörige psychisch ähnlich betroffen und belastet sein können, wie die erkrankte Person selbst. Im sozialen Konstrukt wie z.B. in einer Familie fallen Personen in einem Rollenverständnis weg, die nun neu besetzt oder verteilt werden müssen. Von jetzt auf gleich fallen gewohnte Routinen weg, die ebenfalls den Alltag auf den Kopf stellen können.

Vergessen Sie sich nicht selbst

Typisch ist es, gerade wenn es um nicht heilbare Erkrankungen geht, dass die Erkrankung den neuen Lebensmittelpunkt darstellt. In dieser Zeit werden oftmals die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Doch genau in diesen Zeiten sind Erholungsphasen wichtig. Und es stellt keinen Wiederspruch dar, wenn ich auf der einen Seite für meinen erkrankten Angehörigen da bin, mir aber auch kleinere Auszeigen gönne.

In jedem Erste-Hilfe-Kurs lernen wir die Aussage „Selbstschutz geht vor Fremdschutz.“. Wichtig ist hierbei die richtige Interpretation, denn damit ist lediglich gemeint, dass ich anderen Menschen helfend und unterstützend beiseite stehen kann, wenn auch ich gesichert bin, d.h. ausreichend Kräfte zur Verfügung stehen habe.

Fazit

Grundsätzlich ist der „richtige“ Umgang nach einer schlimmen Diagnose ein sehr individuelles Thema. Wie in vielen Bereichen des Lebens benötigen wir hier die zielgerichtete und klare Kommunikation, die helfen kann mit dieser Situation besser umzugehen.

Einen letzten Hinweise möchte ich Ihnen an dieser Stelle gerne noch geben: Wundern Sie sich bitte nicht darüber, wenn es ebenfalls Personen gibt, die sich Ihnen gegenüber nach einer schweren Diagnose fast unverändert verhalten. Denn es gibt nachweislich Personen, die ihr Leben nicht im Bewusstsein einer gegenwärtigen Erkrankung, sondern lieber im Bewusstsein an die schönen Momente im Leben weiterleben möchten. Es gibt hier keinen „richtigen“ oder „falschen“ Umgang mit einer Situation, denn erlaubt ist alles, was gut tut!

Sollten Sie sich gerade in einer hier thematisierten Lebenssituation befinden, so haben Sie natürlich auch die Möglichkeit sich an Beratungsstellen zu wenden, die über ganz unterschiedliche Träger angeboten werden.

 Hilfe für Angehörige von Krebspatienten

 Hilfe für Angehörige psychisch Kranker

Jörg Weitz ist Inhaber der 3FACH ANDERS Coaching Systems. Als lizenzierter STRUCTOGRAM®-Trainer, wingwave®-Coach, Hypnosecoach und Fachberater für Stressbewältigung und Burnout-Prävention gilt er als Experte für Persönlichkeitsentwicklung, für die Arbeit mit dem Unterbewusstsein und für den Bereich der mentalen Gesundheit. Sein Unternehmen wurde von Proven Expert aus 54.000 Unternehmen als „Top-Experte 2018“ in der Kategorie Coaching ausgezeichnet.
Hier geht’s zu seiner Website.