Mythen Fettverbrennung: Nahaufnahme eines Sportschuhs auf einer Treppe.

Mythen der Gesundheit, des Sports und der Ernährung –

Teil 8: Fängt die Fettverbrennung wirklich erst nach 30 Minuten an?

Dienstag, 10.09.2024
Autor: Dr. Bernd Gimbel, KörperManagement® KG
© Foto: ivanko80, Adobe Stock

Wahrheit oder Mythos? Bei manchen Themen rund um Gesundheit, Sport & Ernährung fragst Du Dich das sicherlich ab und an. Unser Experte Dr. Gimbel hat die Antworten!Im 8. Teil seiner Reihe beantwortet er die Frage, ob die Fettverbrennung wirklich erst nach 30 Minuten beginnt?!

Ohne Energie und Sauerstoff ist menschliches Leben nicht möglich. Energie bekommen wir über die Ernährung in Form der energiereichen Nährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Der Sauerstoff gelangt über die Atmung in unseren Körper. Alle Prozesse, die sich mit der Energieerzeugung in den Zellen, mit dem Auf- und Abbau von Körperbausteinen befassen, bezeichnen wir Stoffwechsel oder auch Metabolismus.

Seilspringen: Ein Mann trainiert draußen und springt über ein Springseil
©Foto: ERNESTO, Adobe Stock

Im Alltag ist häufig von Fettverbrennung die Rede, insbesondere, wenn es um Gewichtsreduktion geht. In diesem Zusammenhang wird immer wieder argumentiert, dass nur Belastungen von länger als 30 Minuten diese ankurbeln. „Weniger Zeit zu investieren, bringt also nichts?“, könnte man daraus schließen. Stimmt das wirklich?
Dieser Frage möchte ich in meinem heutigen Beitrag nachgehen.

Die Hintergründe des Stoffwechsels

In den mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe steckt die Energie, die Sie für Ihr Leben brauchen. Während die Kohlenhydrate (Zucker) und Fette hauptsächlich zur Energiebereitstellung dienen, benötigen Sie die Proteine (Eiweiße) mehr als Material zum Aufbau von Muskulatur, Enzymen, zur Immunabwehr oder zur Reparatur von Zellstrukturen. Kohlenhydrate und Fette können Sie speichern. Eiweißspeicher zur Energiegewinnung gibt es keine. Auch der Sauerstoff ist nicht in großer Menge speicherbar. Auch ihn müssen Sie ständig über die Atmung aufnehmen.

Die Energie, die Sie zur Aufrechterhaltung Ihres Lebens bei völliger Ruhe benötigen, bezeichnen wir als Grundumsatz. Er ist abhängig von Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht und beträgt rechnerisch etwa 1 kcal/pro kg/ Std. Als 80 kg schwere Person haben Sie demnach rechnerisch einen Tagesbedarf von ca. 1920 kcal.

Zusätzlich ist Ihr Verbrauch an Energie abhängig von Ihrem Aktivitätslevel. Je mehr Bewegung Sie haben und je größer Ihr Anteil an körperlicher, aber auch geistiger Arbeit ist, desto mehr Energie benötigen Sie (Arbeits- oder Leistungsumsatz).  Wenn Sie dazu den Grundumsatz addieren, erhalten Sie Ihren täglichen Energieumsatz.

Energiebereitstellung in der Zelle

Ihre „Kraftwerke“ zur Energiebereitstellung befinden sich in den Zellen. Es sind kleine Organe (sog. Organelle) mit dem Fachbegriff Mitochondrien. Dort produzieren Sie aus den verdauten Nährstoffen (hauptsächlich aus Zucker und Fettsäuren) mit Hilfe von Sauerstoff die einzige Energiequelle, die z.B. Ihre Muskeln verwerten können, abgekürzt ATP. Dieses Molekül liefert Ihnen schnell und kurzfristig für die ersten Sekunden Ihrer muskulären Arbeit die benötigte Energie. Danach muss es, vergleichbar mit einem Akku, wieder aufgeladen werden. Bis zu 10 Sekunden springt dafür eine andere chemische Verbindung mit dem Namen Kreatin-Phosphat ein. Erst dann kommen die Zucker- und Fettsäurereserven aus den Zellen und dem Blut ins Spiel. In Abhängigkeit Ihrer aktuellen Belastung und Ihres Trainingszustandes, sind sie prozentual unterschiedlich beteiligt.

Laufen ist gesünder Teil 1: Nahaufnahme auf die Schuhe einer Frau auf dem Laufband.
© Foto: Day Of Victory Stu., Adobe Stock

Beim Liegen, Sitzen und Stehen schöpft Ihr Organismus seine Energie vorrangig aus Fettsäuren. Beim Gehen, sowie langsamen Laufen verbrauchen Sie weiterhin die Energie aus Fettsäuren und Zucker, aber mehr Kalorien. Wenn Sie gut (ausdauer)trainiert sind, dann können Sie sogar noch beim zügigen Dauerlauf Ihre Energie weiterhin vorrangig aus Fettsäuren nutzen, ohne Ihre Kohlenhydratdepots von ca. 500 g in Ihrer Muskulatur und Leber angreifen zu müssen.

Beispielsweise braucht der gut trainierte Marathonläufer für die 42,195 km nur knapp über 2 Stunden (ca. 20 km/h) und bekommt dabei bis zu 90 % seiner Energie aus seinem Fettstoffwechsel.

Da bei diesem Stoffwechselweg der Sauerstoff eine wichtige Rolle spielt, haben wir es hier mit der sogenannten „aeroben (oxidativen) Energiebereitstellung“ zu tun. Als Endprodukte entstehen Kohlendioxid, das ausgeatmet wird, und Wasser, das zum Teil beim Schwitzen ausgeschieden, zum größten Teil aber vom Körper rückresorbiert wird.

Quelle: Gimbel, Körpermanagement, Springer Verlag © 2014, S. 156

Bei hochintensiven Belastungen steht Ihnen noch ein weiterer Stoffwechselweg zur Verfügung, bei dem ausschließlich nur Kohlenhydrate und keine Fettsäuren verstoffwechselt werden. Da hierbei kein Sauerstoff benötigt wird, nennen wir ihn die „anaerobe (glykolytische) Energiebereitstellung“. Als Endprodukt entsteht Laktat, das beispielsweise bei der Laktatdiagnostik zur Feststellung Ihrer persönlichen Ausdauerleistungsfähigkeit und Trainingssteuerung herangezogen werden kann.

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sind ständig gemeinsam aktiv. Die prozentualen Anteile sind abhängig von der Intensität, sowie der Dauer der Belastung und Ihrem Trainingszustand.

Wir halten fest

  • Der Kohlenhydratstoffwechsel ist aktiv, wenn Sie „hochtourig“ arbeiten, z.B. bei intensiver körperlicher Arbeit oder hoch intensiven Intervallbelastungen (HIIT-Training) beim Sport.
  • Den Fettstoffwechsel aktivieren Sie, wenn Sie lange und langsam unterwegs sind.
  • Wenn Sie langsam gehen, dann gewinnen Sie relativ zwar die meiste Energie aus den Fettsäuren, aber wegen der niedrigen Intensität, verstoffwechseln Sie nur wenige Kalorien.
  • Wenn Sie daher Gewicht verlieren möchten, sollten Sie zum einen weniger Kalorien über Ihre Ernährung zuführen und zum anderen möglichst viele Kalorien über mehr Bewegung oder Sport verlieren (negative Energiebilanz).
  • Bei intensiven Belastungen ist Ihr Energieverbrauch hoch, der Kohlenhydratstoffwechsel auf hohem Niveau im Einsatz, aber auch Ihr absoluter Verbrauch an Energie aus Fettsäuren ist höher als bei niedrigen Belastungsintensitäten.
  • Auch verbrauchen Sie im Anschluss an hohe Belastungen, bis Sie wieder vollkommen zur Ruhe kommen, noch weiter Energie („Nachbrenn-Effekt“).

Folgerichtig können wie die Ausgangsfrage folgendermaßen beantworten:

Der Fettstoffwechsel beginnt nicht erst ab 30 Minuten, sondern schon vor Ihrem ersten Schritt. Er benötigt aber eine bestimmte Zeit, bis er optimal in Schwung kommt. Es ist somit ein Mythos, dass kürzere Belastungen als 30 Minuten nichts bringen, aber doch etwas Wahres dran, wenn Sie diese Zeit auf den Start der optimalen Fettverbrennung beziehen.

Umso wichtiger ist es, dass Sie Ihre Ziele, die Sie erreichen möchten, exakt formulieren. Da Stoffwechselprozesse sehr individuell ablaufen, empfehle ich Ihnen eine Atemgasmessung (Spiroergometrie) oder Laktatdiagnostik durchzuführen, wenn Sie für sich persönlich den richtigen Weg finden möchten.

Ihr

Dr. Bernd Gimbel

KörperManagement®

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Fitnesslehrer Akademie und der Berufsakademie für Sport und Gesundheit in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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