Mythen der Gesundheit, des Sports und der Ernährung –
Teil 5: Der Schlaf vor Mitternacht – ist er gesünder als danach?
Montag, 5.02.2024
Autor: Dr. Bernd Gimbel, KörperManagement® KG
© Foto: IRINA, Adobe Stock
Wahrheit oder Mythos? Bei manchen Themen rund um Gesundheit, Sport & Ernährung fragst Du Dich das sicherlich ab und an. Unser Experte Dr. Gimbel hat die Antworten!Im 5. Teil seiner Reihe klärt er auf, ob Schlaf vor Mitternacht gesünder ist als danach?!
Der Schlaf ist die wichtigste regenerative Maßnahme des Lebens. Unabhängig unserer Arbeit und unserer Lebensweise brauchen ihn alle, um ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit – und damit ihre Gesundheit – zu erhalten. Keine andere Regenerationsmaßnahme kann den Schlaf ersetzen.
Vielleicht wegen dieser wichtigen Bedeutung des Schlafes haben sich über Jahre hinweg zahlreiche Aussagen und Empfehlungen etabliert. 8 Stunden Schlaf sollen es sein. Im Alter sinkt das Schlafbedürfnis. Frühzeitig zu Bett gehen ist wichtig, denn der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste.
Wie steht es aber mit deren Wahrheitsgehalt?
In meinem aktuellen Blogbeitrag möchte ich dazu das Thema aus der Sicht der Wissenschaft beleuchten, damit Sie zukünftig mit fundierten Kenntnissen, Ihre wichtigste Regenerationsmaßnahme optimieren können.
Ein Drittel unseres Lebens „verschlafen“ wir
Der Schlaf ist die Basis unserer Regeneration! Wir arbeiten und schlafen ca. 8 Stunden pro Tag. Die verbleibende Zeit verbringen wir je nach persönlichen Bedürfnissen oder privaten Verpflichtungen mit anderen mehr oder weniger schönen Dingen des Lebens. Unabhängig der unterschiedlichen Lebensweisen und Berufsbilder ist für alle von uns der Schlaf die wichtigste regenerative Maßnahme.
Umso erstaunlicher ist es, dass es um das Schlafverhalten der Beschäftigten in Deutschland nicht gut bestellt ist. Nach der „Beschäftigtenstudie „How’s the work – Was Beschäftigte in Deutschland bewegt und belastet“, die gemeinsam von der Techniker Krankenkasse und dem Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung 2022 veröffentlicht wurde, haben 34,0 % der weiblichen und 27,4 % der männlichen befragten Erwerbstätigen ein auffälliges Schlafverhalten oder sogar ausgeprägte Schlafstörungen. Deren Anzahl steigt mit zunehmendem Alter und ist stark abhängig vom allgemeinen Gesundheitsstatus und der Arbeitszufriedenheit.
Die Zahlen sprechen eindeutig dafür, dass wir uns intensiver mit dem Schlaf befassen sollten, um unsere Regeneration zu optimieren. Die ca. 25 bis 30 Jahre unseres Lebens, die wir verschlafen, sind dabei keine Zeitverschwendung, sondern ein „Must have“, um gesund und arbeitsfähig zu bleiben.
Die Bedeutung des Schlaf-Wach-Rhythmus
Der tägliche Wechsel zwischen Schlafen und Wachen (circadiane Rhythmik) geht einher mit den Hell-Dunkel-Phasen des Tages. Diesem täglich wiederkehrenden Ablauf sind wir alle unterworfen. Bei Störung dieses Rhythmus‘ wächst die Gefahr von Erkrankungen. Besonders störanfällig ist diese innere Uhr bei Personen mit Schichtarbeit.
Taktgeber des Schlaf-Wach-Rhythmus` ist der Nucleus Suprachiasmaticus, ein Teil des Hypothalamus im Zwischenhirn. Von seinen Zellen aus werden in Abhängigkeit der vorhandenen Lichteinstrahlung über eine Vielzahl von Regulationsfaktoren zahlreiche Körperfunktionen kontrolliert, wie beispielsweise die Tageszeit abhängigen Schwankungen von Körpertemperatur oder Blutdruck.
Wenn es dunkel wird, registrieren Sinneszellen im Auge den nachlassenden Lichteinfluss und informieren den Hypothalamus darüber. Verschiedene Zentren im Gehirn weisen daraufhin in Kooperation mit der Zirbeldrüse (Epiphyse) unsere Energiezentren an, ihre Aktivität zu drosseln. So beginnen z.B. die Muskeln, sich zu entspannen. Der Körper spürt, dass seine Energie nachlässt und es Zeit wird, sich zur Ruhe zu begeben. Eine wichtige Rolle spielt bei diesem Prozess der Botenstoff Melatonin, der von der Zirbeldrüse gebildet wird.
Jeder von Ihnen hat vermutlich schon mal eine Nacht durchgefeiert und weiß, dass der nächste Tag grausam sein kann. Die Älteren unter Ihnen wissen ebenfalls, dass mit zunehmendem Alter, der nächste Tag meist noch schlimmer ist als in jungen Jahren. Veränderungs- und Anpassungsprozesse dauern länger. Unabhängig des Alters liegt das daran, dass Ihr circadianer Rhythmus aus der Balance gerät, wenn Sie die Nacht zum Tag machen.
Ihre biologische Uhr kommt außer Takt, wenn Sie durch Ihren Lebenswandel den von der Evolution vorgegebenen Rhythmus missachten. Auf Dauer kann dies nicht nur zu einer chronischen Übermüdung führen und damit die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, sondern auch das Risiko für chronische Herzkrankheiten und für Stoffwechselerkrankungen erhöhen.
Schlafen Sie richtig (gut)
Damit Sie „in Takt“ bleiben, sollten Sie sich demzufolge dem natürlichen biologischen Tagesrhythmus anpassen. Dies gilt besonders für den Schlaf, bedeutet aber nicht, dass Sie unbedingt vor Mitternacht ins Bett gehen müssen, um die notwendige Erholung zu finden. Der aktuelle Stand der Schlafforschung besagt, dass der Zeitpunkt des Zu-Bett-Gehens keinen Einfluss auf Ihre Schlafqualität hat. Für Ihre Erholung ausschlaggebend ist, dass Sie ausreichend Tiefschlaf bekommen. In den ersten zwei bis vier Stunden ist der Schlaf am tiefsten und hat damit den größten Erholungseffekt. Entscheidend ist außerdem, dass Sie Ihr persönliches Schlafpensum einhalten. Dieses liegt bei den meisten Menschen zwischen sieben bis neun Stunden.
Auch bei älteren Menschen bleibt der Schlafbedarf gleich. Sie schlafen aber meist weniger, weil sich ihr Schlafverhalten verändert. Die Schlafphasen werden kürzer, der Schlaf störanfälliger und mit zunehmendem Alter werden sie früher wach.
Wenn der nächtliche Schlaf einmal zu kurz gekommen ist, dann ist ein kurzer Mittagsschlaf empfehlenswert. Am besten als Power Nap ca. 25 Minuten lang, ohne in den Tiefschlaf zu fallen. Auf diese Weise wird Ihr Schlafrhythmus in der darauffolgenden Nacht nicht gestört.
Wenn Sie allerdings dauerhaft unter Schlafproblemen leiden, dann empfehle ich Ihnen, sich schnellstmöglich professionelle Hilfe zu holen, um die Ursachen dafür ergründen zu lassen und zeitnah abzustellen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tiefschlaf, damit Ihre Regeneration optimal funktioniert!
Ihr
Dr. Bernd Gimbel
KörperManagement®
Dr. Bernd Gimbel ist Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Fitnesslehrer Akademie und der Berufsakademie für Sport und Gesundheit in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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