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Mythen der Gesundheit, des Sports und der Ernährung –

Teil 1: Täglich 10.000 Schritte für Deine Gesundheit?

Mittwoch, 19.07.2023
Autor: Dr. Bernd Gimbel, KörperManagement® KG
© Foto: Worawut, Adobe Stock

Wahrheit oder Mythos? Bei manchen Themen rund um Gesundheit, Sport & Ernährung fragst Du Dich das sicherlich ab und an. Unser Experte Dr. Gimbel hat die Antworten! Im 1. Teil seiner neuen Reihe klärt er das Mysterium um die 10.000 Schritte auf.

Mythen gab es schon immer und wird sie vermutlich auch zukünftig geben. Sie werden häufig mit Erzählungen von Göttern und Helden, z.B. der alten Griechen in Verbindung gebracht (Mythologie) und sollen die Weltanschauungen der Menschen in dieser Zeit zum Ausdruck bringen. Es sind meist spannende, unterhaltsame Geschichten, deren Wahrheitsgehalt nicht immer überprüfbar ist. Oft haben sie eine mehr symbolische Bedeutung oder beruhen sogar auf falschen Vorstellungen.

Bis in die heutige Zeit gibt es derartige Geschichten, die auch unsere Gesundheit, den Sport und die Ernährung betreffen können. Sie klingen meist interessant, aber es fehlt ihnen die wissenschaftliche Grundlage, um sie als wahr zu bezeichnen. Jeder von Ihnen kennt irgendwelche Mythen zu einem dieser Themen. Einige Leserinnen und Leser handeln vermutlich sogar danach, ohne zu wissen, dass die Fakten den Inhalt der Aussagen nicht bestätigen.

Dies hat mich dazu veranlasst, in meinen folgenden Beiträgen mehr Klarheit zu schaffen. Ich versuche, die Mythen zu entzaubern, in dem ich ihnen Fakten gegenüberstelle.

10.000 Schritte pro Tag für unsere Gesundheit?

Bei unseren Trainings und Coachings mit Kundinnen und Kunden treffen wir viele mit Smartwatches oder Fitnesstrackern, die ihre Herzfrequenzen, ihren Blutdruck, ihren Stresslevel, ihr Schlafverhalten, ihre täglichen Bewegungsaktivitäten o.ä. kontrollieren. In diesem Zusammenhang werde ich immer wieder mit der 10.000-Schritte-Regel konfrontiert, die angeblich das tägliche Maß für gesundes Bewegen sein soll.

Sportler schnürt rote Sportschuhe vor dem Training zu
©Foto: LIGHTFIELD STUDIOS, Adobe Stock

Um es vorwegzunehmen: Diese Empfehlung ist ein Mythos, der sich bis heute in den Köpfen vieler Menschen verankert hat. Er stammt aus den sechziger Jahren. Damals kamen die ersten Schrittzähler auf den Markt und eine japanische Firma mit dem Namen „Manpo-kei“ vermarktete ihr Gerät mit dem Werbeslogan der 10.000 Schritte. Ziel der Firma war es u.a., Begeisterung für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio zu wecken. Dieser Marketing-Gag gelang. Obwohl es dazu keine wissenschaftlichen Belege gab, übernahm sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese Empfehlung.

Wenn wir davon ausgehen, dass 1.000 Schritte ca. 10 Minuten in Anspruch nehmen, dann wären täglich mehr als 1,5 Stunden notwendig, um sich gesundheitlich fit zu halten. Diese Zeit ist für die meisten, vor allem junge Menschen mit Familie und Beruf, nur schwer verfügbar.

Was sagt die Wissenschaft?

Einige Studien beschäftigten sich mit der Frage, ob diese 10.000 Schritte pro Tag tatsächlich das Maß der Dinge für unsere Gesundheit darstellt. Eine Studie aus dem Jahr 2019 der Harvard Medical School mit 16.000 US-Amerikanerinnen im Durchschnittsalter von 72 Jahren kommt zum Ergebnis, dass Frauen, die täglich 7.500 Schritte gingen, nach 4 Jahren ein geringeres Sterberisiko hatten als Probandinnen, die nur 2.700 oder 4.400 Schritte absolvierten. Diese Aussage wurde auch in anderen Studien für ältere Männer bestätigt. Ob sie sich allerdings auf jüngere Personen übertragen lässt, bleibt unklar.

Eine andere US-Studie mit 5.000 Probanden, die 2020 veröffentlicht wurde, kam zum Ergebnis, dass Menschen, die ihre täglichen Schritte von 4.000 auf 8.000 steigerten, einen gesundheitlichen Nutzen erzielten.

Mythen Teil 1: Menschen laufen über Zebrastreifen.
© Foto: Jacek Dylag, Unsplash

Bei Steigerung der täglichen Schrittzahl verringerte sich das Sterberisiko nach 10 Jahren um 50%. Mehr Schritte bedeuteten für die Personen ein geringeres Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Die Intensität spielte dabei keine entscheidende Rolle, also auch langsames Gehen bringt einen gesundheitlichen Benefit.

Ein hilfreiches Konzept hat in diesem Zusammenhang das Zentrum für Gesundheit (ZfG) der Deutschen Sporthochschule Köln entwickelt. Wer täglich zusätzlich 3.000 Schritten (ca. 30 Minuten) mehr geht, hat beispielsweise einen gesundheitlichen Benefit beim Fettstoffwechsel, insbesondere bei den Parametern des Gesamt- und LDL-Cholesterins. Wer sich daran orientiert, profitiert außerdem durch

  • Verstoffwechselung zusätzlicher Kalorien
  • mehr Sauerstoff für die Muskeln und das Gehirn
  • psychische Entspannung uvm.

Mittlerweile hat auch die WHO ihre Empfehlung angepasst, sie lautet nun, sich 150 Minuten wöchentlich moderat zu bewegen oder an 5 Tagen pro Woche 30 Minuten spazieren zu gehen.

Fazit

Eindeutig bestätigt ist heutzutage durch viele Studien, dass Bewegung grundsätzlich der Gesundheit dient. Es müssen aber keine (aber es können) 10.000 Schritte pro Tag sein (gerne auch mehr). Jeder Schritt zählt. Täglich oder zumindest fünfmal pro Woche 30 Minuten für 3.000 Schritte, zusätzlich für seine Gesundheit zur Verfügung zu stellen, ist aber ausreichend. Bei der Vielzahl der dabei erzielbaren Benefits sollte dies für jeden machbar sein. Wann starten Sie?

Ihr

Dr. Bernd Gimbel

KörperManagement®

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Fitnesslehrer Akademie und der Berufsakademie für Sport und Gesundheit in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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