Das Sonnenhormon „Vitamin D“

Donnerstag, 14.04.2022

Vitamin D3 (Cholecalciferol) ist eigentlich weniger ein Vitamin als ein Hormon. Die neuesten Erkenntnisse zu Vitamin D erläutert der Experte Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff vom European Prevention Center.

©Foto: Gajus, Adobe Stock

Schon seit langem ist Vitamin D dafür bekannt, den Knochenaufbau zu fördern und deswegen ebenso lange bei Kleinkindern gegen Rachitis (z.T. noch als „Lebertran“ bekannt) und bei Senioren gegen den Knochenschwund (Osteoporose) gegeben wird. Erst seit einigen Jahren wurde darüber hinaus bekannt, dass es als Immunmodulator ein viel umfassenderes Präventionspotential aufweist. Der entzündungshemmende Effekt ist hinreichend belegt und wird nicht mehr diskutiert. So werden mit mittlerweile bekannten, anzustrebenden Blutspiegeln die Herzinfarktinzidenz deutlich reduziert dies gilt auch für Krebserkrankungen, sogenannte Autoimmunerkrankungen wie auch rheumatischen Erkrankungen, Diabetes mellitus und auch Demenzen wie der Morbus Alzheimer.

Vitamin D findet sich in der Ernährung in fettreichen Fischen (ähnlich den protektiven Omega-3-Fettsäuren), weiterhin in Nüssen, Eiern, Pilzen, Butter etc. Meist ist allerdings der nutritive Bezug unzureichend und der viel größere Anteil wird in der Haut durch Aufnahme von UV-B-Licht aktiviert, wobei aus Cholesterin Cholecalciferol synthetisiert wird. Studien zeigen, dass die Supplementierung von niedrigen Blutspiegeln zu ca. 70% weniger viraler und bakterieller respiratorischer Infektionen führt.

Die Bedeutung wird letztendlich deutlich, wenn wir uns folgenden evolutionären Sachverhalt klar machen: Der bekannte Ursprung der Menschheit in Afrika und das Auswandern dunkelhäutiger Menschen in mehr nördliche Territorien führte zum heutigen Erscheinungsbild eher hellhäutiger Menschen in unseren europäischen Gefilden. Grund ist die erhöhte, wirksame Vitamin D-Generierung durch die weiße Haut, die in Äquatornähe nicht notwendig war. Problem heute allerdings: Als „Büro-“ und aktuell „Homeoffice-Täter“ kommen wir zumindest in evolutionären Maßstäben gemessen zu wenig an die frische Luft und Sonne!

Mangel an Vitamin D

In unserem Zentrum – dem European Prevention Center (EPC) – führen wir aufgrund der präventivmedizinischen Bedeutung die Blutanalyse des Vitamin D-Spiegels bereits regelhaft seit 10 Jahren durch. Die Erkenntnisse sind, dass ca. 90% der Menschen einen prinzipiellen Mangel haben (< 30 nmol/L), ca. 30% sogar einen absoluten (< 20 nmol/L), was in der vorliegenden Literatur bestätigt wird. Neben der Lebensstilberatung ist meist eine gezielte ergänzende Aufnahme von Nährstoffen notwendig, wobei i.d.R. ca. 2.000 mg/Tag, z.T. auch bis 4.000 mg/Tag notwendig sind, um die Spiegel zu erreichen, die in der umfassend vorliegenden wissenschaftlichen Literatur und aufeinanderfolgend in den medizinischen Leitlinien beschrieben werden (> 30 nmol/L; nach neueren prospektiven Studien idealerweise um 50 nmol/L). Oft muss zu Beginn der Behandlung eine höhere Initiationsdosis des fettbindenden Vitamin D vorgesehen werden, um die Gewebespeicher „aufzuladen“.

Die immunmodulierende Wirkung von Vitamin D

Ganz aktuell konnte die günstige, immunmodulierende Wirkung des Vitamin D in einigen Studien, insbesondere einer größeren Metaanalyse aus dem Krebsforschungszentrum Heidelberg (wenn auch die vorliegenden Studien bis auf wenige aufgrund der Kürze des Auftretens von SARS-CoV-2 noch nicht randomisiert und prospektiv sind) festgestellt werden, die sich sowohl in der Reduktion von Infektionen per se als auch des Krankheitsausmaßes, des tödlichen Ausgangs und rascherer Rekonvaleszenz der COVID-19-Erkrankung niederschlug. In einer Studie wurde eine 80%ig geringere künstliche Beatmungsrate und 90%ig niedrigere Sterblichkeit von COVID-19-Erkrankten mit ausreichenden Vitamin D-Spiegeln im Vergleich zu defizitären festgestellt. Gerade in einer Zeit, in der die Impfung zumindest nicht flächendeckend schnell zur Umsetzung kommt, scheint diese Erkenntnis sowohl beeindruckend als auch wichtig zu sein.

Fazit

Diese aktuellen Erkenntnisse, die die bereits bekannten nochmals unterstreichen, sollten Sie zumindest als risikoträchtige Menschen aktiv zum Immunbooster veranlassen. Der Autor der o.g. Heidelberger Studie appelliert als Konsequenz trotz noch zu erwartender vorausschauender Studien bereits zur „immediate action“, also zur sofortigen Aktion: Lassen Sie Ihren Vitamin D-Spiegel im Blut bestimmen und stellen Sie darauf ggf. eine ergänzende Aufnahme von Nährstoffen ab, um sich für sich und auch Ihre Lieben aktiv um den heute üblich gewordenen und berechtigen Abschiedsspruch einzusetzen:

Bleiben Sie gesund und vital!

Referenzen:
Hughes D.A., Norton R. Vitamin D and respiratory health. Clin. Exp. Immunol. 2009;158:20–25.
Jan Alexander, Alexey Tinkov, Tor A. Strand, Urban Alehagen, Anatoly Skalny, Jan Aaseth. Early Nutritional Interventions with Zinc, Selenium and Vitamin D for Raising Anti-Viral Resistance Against Progressive COVID-19. Nutrients 2020; 12: 2358.
Hermann Brenner. Vitamin D Supplementation to Prevent COVID-19 Infections and Deaths—Accumulating Evidence from Epidemiological and Intervention Studies Calls for Immediate Action. Nutrients 2021; 13: 411.
Radujkovic A., Hippchen T., Tiwari-Heckler S., Dreher S., Boxberger M., Merle U. Vitamin D Deficiency and Outcome of COVID-19 Patients. Nutrients 2020; 12:2757.
Holick MF, Binkley NC, Bischoff-Ferrari HA, Gordon CM, Hanley DA, Heaney RP, Murad MH, Weaver CM; Endocrine Society. Evaluation, Treatment, and Prevention of Vitamin D Deficiency: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2011 Jul;96(7):1911-30.
Professor Dr. med. Uwe Nixdorff ist Experte für Herzerkrankungen. Der Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Kardiologie und Sportmedizin ist ärztlicher Geschäftsführer und Gründer des European Prevention Centers (hier geht’s zur Website) sowie ärztlicher Geschäftsführer von Hanako Health (hier geht’s zur Website).