IN VINO VERITAS!

Freitag, 17.06.2022

Ist dieses altbekannte Sprichwort auch in Hinsicht auf die Gesundheit zutreffend? Das erläutert der Experte Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff vom European Prevention Center.

©Foto: lordn, Adobe Stock

Ist nicht hinreichend die gesundheitsschädliche Wirkung von chronischen Alkoholikern durch dramatische Folgen wie die des Leberversagens (alkoholische Fettleber / Leberzirrhose), Herzversagens (alkoholische Kardiomyopathie), Hirneintrübung (alkoholische Enzephalopathie als auch Demenz) und anderen Nervenstörungen (alkoholische Polyneuropathie) pathologisch gezeigt worden? Was, wenn der Rebensaft in lediglich moderaten Dosierungen, in mediterraner Gewohnheit zum Essen und nicht im sog. „binge drinking“ mit reihenweiser Betrunkenheit erfolgt?

Mediziner, Dichter und Denker - Ihre Thesen zu Wein

Nun, bereits Hippokrates (460 – 375 v. Chr.) führte Wein in seiner reinen Form in die Heilkunde ein. Später wurde Galen (129 – 200 n. Chr.) noch konkreter und therapierte unterschiedliche Erkrankungen mit entsprechenden Weinarten. Sicherlich meinte Johann Wolfgang von Goethe es auch in psychosozialer Integrität, wenn er sagte „Der Wein erfreut des Menschen Herz“. Immerhin fand sich in Goethes Haushaltsbuch von 1829 unter dem Stichwort „Weinerwerb“ eine Summe, die 20 Prozent der Gesamtausgaben ausmachte. Und in wiederrum psychomentaler Hinsicht bestätigte William Shakespeare „Wein macht das Gehirn sinnig, schnell und erfinderisch, voll von lebendigen, feurigen und ergötzenden Gedanken.“ In der Neuzeit wurden günstige Gesundheitswirkungen des Weins von Raymond Pearl (1879 – 1940) in „Alcohol and Longevity“ beschrieben.

Die eingangs genannten, desaströsen Folgen des chronischen Äthylismus insbesondere des 19. Jahrhundert wurden vor ca. 30 Jahren vom Paradigmenwechsel des „French Paradox“ (Renaud SC, et al. Lancet 1992; WHO-MONICA-Studie 2000) gefolgt. Es wurde kenntlich, dass in mediterranen Ländern der gefällige Alkoholumgang (trotz z.T. mehr fettreicher Ernährung) mit erheblicher Reduktion von Herzinfarkt-Todesfällen einherging, ganz im Gegensatz zu dem in den angelsächsischen Ländern (eine kürzliche Studie aus England (Knott CS, et al. BMI 2015) wollte die ungünstigen Effekte nochmals bestätigt wissen; allein das hier erfolgte binge drinking stand dem mediterranen entgegen).

Grundsätzlich wichtig bleibt die Dosis, die auch wissenschaftlich untersucht wurde, u.a. in einer Langzeitbeobachtung der Harvard University, der großen Health Professional Study. Bei Männern geht das relative Risiko des chronischen Koronarsyndroms bis 30 g/Tag (2 – 3 Drinks) hochsignifikant runter, danach aber wieder hoch. Das wurde durch sehr viele weitere Studien einheitlich so bestätigt. Es besteht also graphisch entlang der Alkoholdosis zur Erkrankung(svermeidung) eine Glockenkurve (bell shape curve). In der Augsburger Monica-Studie wurde die Sterblichkeitsrate von Abstinenzlern erst über 80 g/Tag wieder erreicht. Bei Frauen besteht – ohne chauvinistische Hintergründe – der Grenzwert bei der Hälfte. Frauen verfügen – übrigens auch Asiaten – nur über die Hälfte der Alkoholdehydrogenase, einem alkoholabbauenden Enzym in der Leber.

Beachtenswerter Weise wurde die bislang älteste Frau der Welt, Jeanne Calment (1875 – 1997) 122 Jahre alt. Sie stammte aus dem Weingebiet Vallée du Gers und trank täglich Wein („Wine, I am in love with that“). Nebenbei hörte sie mit 117 Jahren mit dem Rauchen auf.

Die Fakten

Warum besteht eine antiatherosklerotische Wirkung (Vorsorge vor Verdickung und Verkalkung von Gefäßen) des moderaten Weingenusses? Nun, es ist belegt, dass eine antientzündliche Wirkung besteht, was an allen Entzündungsparametern des Blutes messbar wird, voran der des sogenannten C-reaktiven Proteins. Weiterhin werden die Blutplättchen gehemmt als auch das Gerinnungssystem an vielen Stellschrauben, sodass weniger Gerinnsel in den Gefäßen entstehen. Auch die sog. Insulinsensitivität wird verbessert; antidiabetische Effekte (im Gegensatz zur früheren Warnung von Alkohol bei Diabetikern) ist belegt.

Ein wissenschaftliches Problem zum Weingenuss muss bei diesen Feststellungen immer vorsichtig abgewogen werden, i.e. des Confoundings, der Einflussfaktoren. In der Gruppe von Weintrinkern gegenüber Gruppen anderer alkoholischer Getränke befinden sich verhältnismäßig oft weniger Raucher, es findet sich ein niedrigerer body mass index (BMI) resp. geringe waist-to-hip-ratio; weiterhin ein höherer Anteil von Personen mit gehobener Ausbildung und insgesamt gesünderer Ernährungsgewohnheiten. Andererseits liegen viele – auch experimentelle Studien – vor, die bei allen sonstigen Zusatzstoffen des Weins, den eigentlichen Alkohol (C2H5OH) als das wichtigste präventive Agens ausmachen.

Und dennoch: Der Wein, insbesondere der rote, in dem Extrakte der Traubenschalen besonders in der Vinifikation eingebracht werden, beinhaltet das auch wichtige, präventiv wirkende Resveratrol (ein Polyphenol als sekundärer Pflanzenstoff). Es handelt sich um ein Antioxidanz, dass die Elastizität von Herz und Gefäßen schützt und damit auch deren atherosklerotische Veränderung (Verdickung, Verkalkung) mit den Folgen von Herzinfarkt und Schlaganfall verhindert. Die Pflanzen verfügen darüber, da sie sich selbst damit gegen Pilz- und Virusinfektionen schützen. Anekdotisch zeigten experimentelle Studien an Ratten, dass unter den Rebsorten insbesondere der Chateuneuf-du-Pape eine besondere Relaxierung, als Entspannung der Gefäße bewirkt. Zu den Polyphenolen wiederrum ist messtechnisch belegt, dass der Gehalt im Saint Emilion Grand Cru am höchsten ist.

Fazit

In summa ist der Weingenuss, vorzugsweise des roten, für eine gesundheitliche Prävention empfohlen. Dabei ist neben der moderaten Dosis der regelmäßige und nicht periodische Verzehr (kein binge drinking), idealerweise zum Essen, von Bedeutung. In vino veritas!…

Bleiben Sie gesund und vital!

Professor Dr. med. Uwe Nixdorff ist Experte für Herzerkrankungen. Der Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Kardiologie und Sportmedizin ist ärztlicher Geschäftsführer und Gründer des European Prevention Centers (hier geht’s zur Website) sowie ärztlicher Geschäftsführer von Hanako Health (hier geht’s zur Website).