Stress macht krank

Mittwoch, 2.02.2022

Immer mehr Menschen werden stressbedingt krank. Wie Stress erkannt und behandelt wird, erläutert der Experte Prof. Dr. med. Uwe Nixdorff vom European Prevention Center.

©Foto: Gajus, Adobe Stock

Das Stressereleben steigt in den letzten Jahren kontinuierlich an. Nach aktueller Studie der Techniker Krankenkasse „Entspann dich, Deutschland“ 2021, fühlen sich 64% der Menschen in Deutschland manchmal bis häufig gestresst.

Stress wurde bereits 1936 von Hans Selye als Anpassungsproblem beschrieben, auch als fehlende Entspannungsphasen. R. Bradley sprach 1969 von „overwhelming exhaustion“ = überwältigende Erschöpfung, die auf nicht ausreichende emotionale und physische Ressourcen zurückgeführt werden muss. Es kommt zu Zynismus, Gefühl der Wirkungslosigkeit und „detachment“ = Distanziertheit von sich selbst bis i.R. des Burnouts (mittlerweile auch nach ICD; International Classification of Diseases anerkannt) dann auch zur Depression.

Seit ca. 10 Jahren besteht neben psychologischer Hilfestellung die Möglichkeit der Stressmedizin mit hoher Erfolgsträchtigkeit. Die sog. Psychoneuroimmunologie zeigt, wie Stress – aktuell zu Corona-Pandemiezeiten – das Immunsystem beeinträchtigt. Hierüber werden schließlich sogar Folgen wie etliche Krebserkrankungen, neurodegenerative als auch Herzerkrankungen erklärbar. Nach aktuellen großen Studien ist davon auszugehen, dass beruflicher Stress zu einer 25%igen Erhöhung der Herzinfarktrate führt.

Wie sich Stress über das Nervensystem vermittelt

Zentral ist das Gehirn mit dem frontotemporalen Kortex, also die vordere Großhirnrinde; von dort geht es über den Hypothalamus, Hypophyse, Stammhirn auch in hormonelle Kreisläufe bis zur Nebennierenrinde über, wo die bekannten Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin hergestellt werden. Auf das Gehirn wirken Umweltfaktoren aus Arbeit und Familie ein, aber auch moderierende Faktoren wie Persönlichkeit, soziale Unterstützung und Fitness. Es resultieren kognitive und affektive Reaktionen (etwas Konzentrationsprobleme und Gereiztheit, wie dies jeder aus dem eigenen Leben kennt). Diese führen zu physiologischen Reaktionen mit Blutdruck- und Pulserhöhungen als auch Entzündungen. Einwirkend sind Verhaltensweisen, zu denen der Gestresste neigt, wie etwa schlechte Ernährung, unzureichende Bewegung und Zigarettenkonsum. Folgen sind dann in längerer Hinsicht Durchblutungsstörungen bis hin zum bereits oben erwähnten Herzinfarkt.

Die Arten von Stress

Auseinanderhalten muss man akuten von chronischem Stress, wie es McEwen bereits 1998 beschrieben hat. Akuter Stress (Eustress) im Sinne einer Adaptation (Allostase) ist günstig und häufig bei Herausforderungen von Kampf oder Flucht lebensrettend.

Das krankmachende Problem heute ist chronischer Stress (Dysstress) mit eine Maladaption („allostatic load“), die keine ausreichenden Erholungsphasen mehr zulässt. So kommt es eben auch zum Ausbrennen beim Burnout; übrigens meist Menschen, die auch einmal „gebrannt“ hatten.

Diagnose und Therapie von Stress

Stressmedizinische Diagnostik setzt mehrere Aspekte voraus; einmal ausführliche Fragebögen (Questionnaires), dann eine aus der Kardiologie stammende Methode, i.e. die Herzratenvariabilität (HRV), die das vegetative, unwillkürliche Nervensystem analysiert, dass immer bei Stress beeinträchtigt ist. Weiterhin erfolgen Laboranalysen von Stresshormonen, hier besonders wichtig auch ein Cortisol-Tagesprofil. So multimodal solche Diagnostik ist, so multimodal ist die Therapie. Bewährt hat sich das sogenannte VARESE-Konzept, nach dessen Komponenten vorgegangen wird: Verhalten, Achtsamkeit, Relaxation, Ernährung, Sport und Ergänzungstherapie. Im Einzelnen sind dann auch weitere Behandlungspartner gefragt, wie etwas Coaches und Psychotherapeuten; Ökotrophologen, Personal Trainer und im Endstadium eines Burnouts auch die psychosomatische Klinik. Präventiv lassen sich aber bei rechtzeitiger Beratung und Lebensstilgestaltung die krankmachenden Folgen begrenzen oder vermeiden.

Präventiv lassen sich aber bei rechtzeitiger Beratung und Lebensstilgestaltung die krankmachenden Folgen von Stress begrenzen oder vermeiden.

Professor Dr. med. Uwe Nixdorff ist Experte für Herzerkrankungen. Der Facharzt für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Kardiologie und Sportmedizin ist ärztlicher Geschäftsführer und Gründer des European Prevention Centers (hier geht’s zur Website) sowie ärztlicher Geschäftsführer von Hanako Health (hier geht’s zur Website).