Leptin: Fragezeichen aus rosa Maßbändern auf einem hellblauen Teller

Leptin – Hungergefühl trotz Sättigung

Mittwoch, 31.03.2021

Was Du beachten solltest um nicht in die Jo-Jo-Falle zu tappen verrät Dir unser Experte Dr. Gimbel.

© Foto: ponsulak, Adobe Stock

Wer bewusst abnehmen will, dem empfehle ich, sich mit verschiedenen Funktionsabläufen im menschlichen Organismus auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren wurde nachgewiesen, dass bei Übergewicht und Adipositas das Fettgewebe als „endokrines Organ“ in Erscheinung tritt und die Entwicklung von Glukosestoffwechselstörungen, wie z.B. Insulinresistenz begünstigt. Eine wichtige Rolle dabei spielen verschiedene Signalmoleküle, die sogenannten Adipokine, die aus den Fettzellen freigesetzt werden. Eines davon ist das Eiweiß Leptin, das für die Appetitregulation von Bedeutung ist. Da bei Zunahme des Körpergewichts meist auch die Fettmasse, insbesondere im Bauchbereich ansteigt, gilt es, frühzeitig Gewichtsmanagement zu betreiben.

Grundsätzlich ist bei einer Gewichtsreduktion wichtig, dass Fettgewebe und keine Muskelmasse abgebaut werden. Dies gelingt nur, wenn parallel sowohl die Ernährung auf „gesund“ umgestellt als auch die Kalorienaufnahme reduziert und die muskuläre Aktivität erhöht wird.

Muskelmasse stellt stoffwechselaktives Gewebe dar, d.h. zu jeder Tages- und auch Nachtzeit werden in den Muskelzellen Kohlenhydrate und Fette zur Energiebereitstellung verbraucht und damit Kalorien verstoffwechselt, um sie am Leben zu erhalten. Im Unterschied dazu ist das Fettgewebe als Speicherorgan für überschüssige Energie nahezu inaktiv bezüglich des Energieverbrauchs, aber äußerst aktiv als endokrines Organ. Es bildet chemische Signalstoffe, die ins Blut abgegeben werden und dezentral im gesamten Organismus unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Die Fettzellen (Adipozyten) produzieren z.B. inflammatorische Zytokine (Eiweiße, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren), die im gesamten menschlichen Organismus Entzündungsprozesse hervorrufen können (postprandiale inflammatorische Reaktion).

Außerdem werden im Fettgewebe Hormone freigesetzt. Eines davon ist Leptin, das bei der Gewichtsregulation eine wichtige Rolle spielt.

Was ist Leptin?

Leptin ist ein sog. Proteohormon, also ein Eiweiß (Protein), das hormontypische Aufgaben übernimmt. Es kommuniziert mit vielen Organen. Dies geschieht nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip über Leptin-Rezeptoren, die insbesondere im Gehirn vorhanden, aber auch im Immunsystem und an anderen Stellen im menschlichen Körper verteilt sind. Auf diese Weise werden wir ständig mit Informationen über unseren Energiestatus versorgt. Wir erhalten Signale, dass wir gesättigt sind, wenn Leptin im Hypothalamus, dem Steuerorgan des vegetativen Nervensystems im Zwischenhirn, seine Rezeptoren besetzt.  Leptin ist sozusagen das Bindeglied zwischen Fettgewebe und Gehirn. Ist die Leptin-Konzentration hoch, verfügen wir über ausreichende Energie für körperliche, sportliche, aber auch geistige Aktivitäten. Ist die Leptin-Konzentration niedrig, verspüren wir ein Hungergefühl, begeben uns auf die Suche nach Nahrung und der Energieverbrauch wird reduziert. Damit ist Leptin auch für die Regulierung des Energieverbrauchs verantwortlich.

Was bewirkt Leptin?

Eine ungesunde Ernährungsweise ist meist mit hyperkalorischer Nahrung verbunden. Die Folge: Immer mehr Kalorien werden zugeführt, die Fettzellen speichern die überflüssige Energie und produzieren permanent im Überfluss Leptin, um dem Körper zu signalisieren, dass ausreichend Energie vorhanden ist. Da beim normalen übergewichtigen Menschen kein Mangel, sondern im Gegenteil ein Überfluss an Leptin vorliegt, ist anzunehmen, dass es zu einer Leptin-Resistenz kommt, weil die Anzahl der Rezeptoren sinkt, und sie nicht mehr angemessen auf das Leptin reagieren. Unser Gehirn nimmt nicht mehr wahr, dass in Wirklichkeit ausreichend Energie zur Verfügung steht. Wir haben ein andauerndes Hungergefühl und nehmen weitere Nahrung auf. Das Körperfettgewebe wächst und mit ihm steigt auch das Körpergewicht. Häufig lässt dadurch der Bewegungsdrang nach. Die Energiebilanz gerät aus den Fugen, weil mehr Energie aufgenommen als abgebaut wird. Die Spirale beginnt sich zu drehen.

Leptin wirkt auch im Immunsystem entzündungsfördernd. Außerdem leiden die vermehrt vorhandenen Fettzellen unter Sauerstoffmangel. Dieser erzeugt Stress in den Zellen und verstärkt die Entzündungsreaktionen. Dadurch wird die Immunabwehr geschwächt (gerade während der Corona-Pandemie von großer Bedeutung) und die Entstehung von Krankheiten, wie z.B. Adipositas, Bluthochdruck, rheumatische Erkrankungen, Osteoarthritis, Schuppenflechte etc. begünstigt.

Besser den Taillenumfang messen als den BMI berechnen

Besonders gefährlich ist in diesem Zusammenhang das Bauchfett (Visceralfett). Je höher der Bauchfettanteil, desto größter ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 (Zuckerkrankheit). Die National Institutes of Health in den USA sowie die Deutsche Adipositas Gesellschaft bezeichnen Taillenumfänge von 80 bzw. 88 cm bei Frauen und 94 bzw. 102 cm bei Männern als erhöht bzw. als deutlich erhöht. Die Messung sollte vor dem Frühstück im Stehen stattfinden und erfolgt nach normalem Ausatmen zwischen dem untersten Rippenbogen und dem Hüftknochen in Bauchnabelhöhe.

Das Ergebnis auf der Waage und der danach häufig berechnete Body-Mass-Index (BMI) aus dem Körpergewicht (Kg) dividiert durch die Körperlänge (m2), haben nur eine begrenzte Aussagekraft. Genauere Ergebnisse liefert eine Körpergewebeanalyse, bei der das Körperfett, die Muskelmasse und der Flüssigkeitsanteil bestimmt wird. Liegen der Körperfettanteil und die Bauchumfangsmessung zu hoch, dann sollte dies dringend zum Überprüfen der Nahrungs- und Bewegungsgewohnheiten anregen.

Achten Sie deshalb frühzeitig auf überflüssiges Fettgewebe insbesondere im Bauchbereich, weil Sie dadurch einer möglichen Insulin- und Leptin-Resistenz vorbeugen können.

Tipps

  • Wenn die Konfektionsgröße steigt und die Gürtellänge ständig dem Körperumfang angepasst werden muss, dann sollten Sie handeln.
  • Steigern Sie ihren Kalorienverbrauch durch mehr Bewegung. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten pro Woche. Trainieren Sie in Kombination eine Ausdauerdisziplin und kräftigen Sie Ihre Muskulatur durch funktionelle Gymnastik oder an Kraftgeräten. Nutzen Sie aber auch jede Form von Bewegung in Ihrem Alltag.
  • Achten Sie auf Ihre Kalorienaufnahme. Verzichten Sie insbesondere auf Kalorienbomben wie zuckerreiche Limonaden, Kuchen, Chips und Schokoriegel.
  • Greifen Sie stattdessen zu mehr Obst, Salat und Gemüse. Auch Nüsse sind bei Hunger auf Süßes erlaubt, denn sie beinhalten wertvolle Omega-6-Fettsäuren. Aber Vorsicht, sie enthalten auch viele Kalorien (je nach Sorte ca. 550-650 kcal/100g).
  • Gegen den Durst helfen am besten ungesüßte Kräuter- und Früchtetees. Außerdem können Sie Wasser mit frischer Zitronenmelisse, Pfefferminze oder Ingwer aromatisieren. Auch Zitrone, Salatgurke oder Beeren geben Wasser einen guten Geschmack.
  • Alkohol sollte bei einer angestrebten Gewichtsreduktion anfänglich tabu sein, denn es wird falls im Blut vorhanden als bevorzugte Energiequelle genutzt. Da die Leber mit seinem Abbau beschäftigt ist, wird dadurch die Fettverbrennung gehemmt.
Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gründer und Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit (dba) in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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