Resilienz & Resistenz –

Die Einheit für mehr Power

Mittwoch, 8.02.2023
© Foto: Nadya So, Adobe Stock

Die Begriffe Resilienz und Resistenz begegnen einem immer mal wieder, aber was ist damit eigentlich gemeint? Dr. Bernd Gimbel von  KörperManagement® KG Bad Homburg erklärt Dir im 1. Teil zum Thema, was die beiden Begriffe bedeuten und wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Immer häufiger stoße ich in den letzten Jahren auf den Begriff Resilienz. Ich gestehe, vor einigen Jahren hatte ich ihn zwar schon gehört, kannte aber seine Bedeutung nur oberflächlich. Dies änderte sich, als eine Kollegin zu mir meinte, dass wir dieses Thema unbedingt in unsere Coaching-Ausbildung aufnehmen sollten. Mittlerweile habe ich mich intensiv mit diesem Thema befasst und viele Menschen gecoacht. Dabei habe ich erfahren, dass resiliente Menschen besser mit Stressoren umgehen und sogar gestärkt aus Krisen hervor gehen können, da Resilienz trainierbar ist.

Wenn wir den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit betrachten, dann haben derartige Trainingsmaßnahmen immer auch Auswirkungen auf die körperliche Seite unseres Organismus. Deshalb gehört für mich neben der Resilienz auch die Resistenz, die körperliche Widerstandsfähigkeit, als Einheit für mehr Power in die Betrachtung dazu.

In meinem neuen Beitrag möchte ich Ihnen erklären, wie beide Eigenschaften dazu beitragen können, mehr Kraft und Energie für Ihr Leben zu tanken.

Zwei Begriffe, die gemeinsam für mehr Kraft und Energie stehen

Die Resilienz

„Resilienz ist die psychische Widerstandskraft und Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen.“

Der Begriff Resilienz ist aus dem lateinischen „resilire“ abgeleitet und bedeutet zurückspringen oder abprallen. In der Physik werden damit Stoffe bezeichnet, die die Fähigkeit besitzen, sich zu verformen und anschließend wieder in ihre ursprüngliche Form zurückfinden. Wenn wir im Duden nachschauen, dann finden wir dort die Information „Resilienz ist die psychische Widerstandskraft und Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen.“

Bei genaueren Recherchen stoßen wir auf eine wegweisende Studie der Psychologin Emmy Werner, die mit ihrem Team von 1955 an ca. 700 Kinder auf der hawaiianischen Insel Kauai über 40 Jahre begleitet hat. Ihr Ziel war es festzustellen, wie sich ungünstige Lebensumstände in der Kindheit (z.B. psychische Erkrankungen der Eltern, Armut oder familiärer Disharmonien) auf deren physische, kognitive und psychische Entwicklung hin zum Erwachsenenalter auswirken. Sie fand heraus, dass sich ca. ein Drittel der risikobehafteten Kinder trotz der ungünstigen Umstände gut entwickelten. Sie hatten in dem Beobachtungszeitraum eine hohe Schulbildung abgeschlossen, gute soziale Kompetenzen, stabile Bezugspersonen und positive Selbstwirksamkeitserwartungen entwickelt und damit einen Weg gefunden, gestärkt aus ihren widrigen Lebensumständen herauszukommen.

Die Resistenz

„Der Begriff Resistenz bezeichnet die Widerstandfähigkeit eines Organismus gegen äußere Einflüsse.“

Er wird häufig in Verbindung mit dem Immunsystem verwendet, wenn wir Krankheitserregern widerstehen können, ohne selbst krank zu werden. Wir haben bereits mit der Geburt eine überlebensfähige Widerstandskraft mitbekommen (angeborene Immunität) oder im Laufe der Zeit gelernt, mit Viren und Bakterien aus unserer Umwelt umzugehen und diese gezielt zu bekämpfen (erlernte Immunität).

Die körperliche Widerstandsfähigkeit bezieht sich aber auch auf die Fähigkeit, körperlichen Belastungen ohne schädliche Folgen zu widerstehen. Je widerstandsfähiger wir sind, desto weniger nimmt unser Körper Schaden, wenn er gefordert wird. Wir können hohe körperliche Herausforderungen annehmen. Unser Organismus kann sie kompensieren, ohne sich dabei zu überfordern.

Die Wechselwirkung

Beide Eigenschaften sind trainierbar und beeinflussen sich wechselseitig. Bewegungstraining ist keine Einbahnstraße zwischen Gehirn und Muskulatur. Es bewirkt strukturelle und funktionelle Anpassungsvorgänge in der Muskulatur, dem Herz-Kreislauf-, dem Atmungs- und Immunsystem, wirkt aber auch gegenläufig aus der Peripherie unseres Körpers zurück zum Gehirn. So unterstützt Bewegung sowohl die Neubildung als auch Verknüpfung von Nervenzellen (Synapsenbildungen). Als Folge können wir flexibler auf unsere Umgebung reagieren (Neuro-Plastizität). Auch Emotionen sind keine rein psychischen Prozesse, die sich ausschließlich im Kopf abspielen. Belastende Gedanken lösen häufig muskuläre Verspannungen und Rückenschmerzen aus. Deshalb gehören nach meinem Verständnis beide Begriffe eng zusammen.

Widerstandsfähigkeit vs. Stressbewältigung

Trainingsmaßnahmen der körperlichen und psychischen Widerstandsfähigkeit haben Auswirkungen auf unseren Energielevel. Sportliches Training optimiert die energetischen Reserven und verbessert die Funktionsfähigkeit der Organe. Dadurch steigern wir unsere körperliche Leistungsfähigkeit. Mentales Training dagegen liefert „psychische Energie“, um sich in entscheidenden Momenten auf wesentliche Dinge fokussieren und gute Entscheidungen treffen zu können.

Das beste Beispiel, wie dieses Zusammenspiel hervorragend funktioniert, ist der Leistungssport. Alle Athletinnen und Athleten benötigen Kondition, Technik, Taktik UND mentale Stärke auf höchstem Niveau, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Je resilienter und resistenter wir sind, also je mehr ganzheitliche Widerstandsfähigkeit wir besitzen, desto weniger werden uns Stressoren begegnen, weil wir Umweltreize anders selektieren, positiver interpretieren und wahrnehmen als Menschen, die eine gering ausgeprägte körperliche und mentale Stärke aufweisen. Unter- oder Überforderung im Job, aber auch in der Freizeit, berufliche oder familiäre Konflikte, rauben uns Kraft und Energie. Erfolgserlebnisse, soziale Unterstützung aus dem privaten oder beruflichen Umfeld, Handlungsspielräume im Job, aber auch ausreichende Bewegung und gesunde Ernährung geben uns Kraft und Energie. Für den Interpretationsrahmen, was diese Begriffe für uns bedeuten und wie wir sie einordnen, sind Stimmungen, Emotionen etc., denen wir aktuell unterliegen und Werten, die uns soziokulturell vermittelt wurden, verantwortlich.

Abb. 1: Der Einfluss von Energiespendern, Energieräubern und verfügbaren Ressourcen auf Resilienz und Resistenz

Eine kleine praktische Übung

An dieser Stelle möchte ich Sie dazu anregen, einen Moment innezuhalten, um eine kurze, persönliche Bilanz der Faktoren zu ziehen, die Ihnen Kraft geben oder Ihre Energie rauben.

Beantworten Sie sich dazu bitte schriftlich 2 Fragen:

  • Was sind meine Energiespender (was gibt mir Kraft)?
  • Was sind meine Energieräuber (was raubt mir Kraft)?

Schon die Anzahl der Nennungen kann einen Überblick zur Bilanz Ihres Powerstatus geben. Überwiegen die Energiespender, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich Umweltsituationen zu belastenden Stressoren entwickeln, als wenn die Energieräuber dominieren.

Mit entscheidend für den Zustand Ihres Energielevels sind auch die Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dazu gehören persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten oder Kompetenzen, über die Sie verfügen, um körperliche Belastungen oder psychische Konflikte zu bewältigen. Je größer Ihre Ressourcen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit körperlicher Überforderung und die Notwendigkeit, Stressbewältigungsstrategien zur Lösung von Konflikten einzusetzen. Auf diese Weise schonen Sie Energie und können die eingesparte Energie für andere Zwecke nutzen. Mit guten Ressourcen sind Sie also in der Lage, körperlichen Belastungen besser standzuhalten und flexibler auf Konflikte zu reagieren. Mit den neuen Erfahrungen lassen sich zukünftige Ereignisse mit mehr Power besser bewältigen.

In Teil 2 gebe ich Ihnen Optimierungsstrategien für mehr Power mit an die Hand und verrate Ihnen, was es mit den sieben Säulen der Resilienz auf sich hat.

Ihr

Dr. Bernd Gimbel

KörperManagement®

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Fitnesslehrer Akademie und der Berufsakademie für Sport und Gesundheit in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
Hier geht’s zur Website