Schwimmen

Schwimmen: Eine Alternative zum Laufen oder Radfahren?

Mittwoch, 17.06.2020

Ist Schwimmen für Jedermann geeignet und kann man falsch Schwimmen? Unser Experte Dr. Bernd Gimbel klärt auf.

© Foto: Ronny Gängler, Adobe Stock

Schwimmen genießt einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Viele nutzen ihren Sommerurlaub zum Baden im Meer oder fliegen im Winter nochmals in die Sonne, um in der Wärme schwimmen zu können. Verbunden ist damit auch die Vorstellung, sich durch aktive Erholung von den Strapazen des Arbeitsprozesses zu erholen und neue Energie zu tanken.

Auch von Medizinern wird Schwimmen häufig als die ideale Sportart für die Gesundheit empfohlen. Es kräftigt die Muskeln und entlastet die Gelenke. Gleichzeitig beansprucht es das Herz-Kreislauf- und Atmungssystem. So lehrt es uns die Literatur. Ist Schwimmen deshalb die bessere Alternative zu den anderen Ausdauerdisziplinen Laufen und Radfahren?

Die Besonderheiten des Mediums Wasser

Wasser macht die Besonderheit des Schwimmens aus. Der Auftrieb versetzt Sie in einen Schwebezustand, von dem körperlich schwache oder übergewichtige Menschen hauptsächlich profitieren. Auch für Menschen mit Gelenkbeschwerden in Hüften oder unteren Extremitäten ist es häufig die einzige Möglichkeit, sich sportlich zu bewegen.

Wenn Sie nicht zu diesen Gruppen gehören und Ihr Ziel in der Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen liegt, dann sind jene Sportarten am besten geeignet, bei denen die Herz-Kreislaufbelastung bei niedriger Milchsäurebildung und gleichzeitig großer Sauerstoffaufnahme am geringsten ist.

Unter dieser Prämisse steht Schwimmen, hinter Dauerlauf oder zügigem Walking, bzw. Bergwandern, Radfahren oder Skilanglauf  in der Hitliste „nur“ auf Rang 3. Gefolgt von Ballspielen (allerdings nicht Squash, Volleyball und Tischtennis), Rudern und Kanu.

Der Wasserdruck fördert den Rückstrom Ihres Blutes zum Herzen. Der Herzmuskel wird dadurch mehr gedehnt als bei den Sportdisziplinen an Land, was zu einem kräftigeren Herzschlag führt. Das damit verbundene größere Blutvolumen, das bei einem Herzschlag aus der linken Herzkammer ausgestoßen wird bedeutet, dass durch das vermehrte Sauerstoffangebot in der belasteten Muskulatur die Herzfrequenz gegenüber vergleichbaren Belastungen an Land um ca. 10 % sinkt.

Die häufige Vorstellung, dass durch den Wasserdruck Ihr Blutdruck ansteigt, ist unbegründet. Dennoch sollten Herz-Kreislauf-Patienten einen Arzt konsultieren, wenn sie Schwimmen als ihre bevorzugte Disziplin entdeckt haben, um Kontraindikationen abklären zu lassen.

Die Sauerstoffaufnahme im Organismus ist abhängig vom Anteil der belasteten Muskulatur. Im Unterschied zum Radfahren, bei dem nur die unteren Extremitäten an der Bewegung beteiligt sind (die Rumpfmuskulatur und die Muskelgruppen der oberen Extremitäten dienen mehr der Stabilität und zum Erhalt des Gleichgewichts), ist Laufen, Walken, Bergwandern, Skilanglauf und Schwimmen eine Ganzkörperbelastung mit höheren Sauerstoffaufnahmeverhältnissen. Da beim Schwimmen noch seitens der Muskulatur aktiv gegen den Wasserwiderstand gearbeitet werden muss, ist die Sauerstoffaufnahme – und auch der Kalorienverbrauch – hier besonders hoch (ca. 4x höher als beim Laufen). Der hohe dynamische Muskeleinsatz zeichnet Schwimmen deshalb als eine ausgezeichnete Ausdauerdisziplin für den Gesundheitssport aus. Die hohe muskuläre Aktivität wirkt sich allerdings negativ auf die Milchsäureproduktion aus. Gegenüber den Sportarten an Land werden hier viel höhere Laktatwerte erzielt, weil die Kohlenhydratdepots stärker in Angriff genommen werden.

Ohne Schwimmtechnik verpufft die Energie

Zusätzlich ist der Wirkungsgrad der Bewegungen im Wasser in Abhängigkeit der beherrschten Technik relativ gering (3 bis 10 %; beim Laufen ca. 25 %). Als Wirkungsgrad einer Energieumwandlung bezeichnet man in der Sportphysiologie das Verhältnis zwischen mechanischer Muskelleistung und Energieumsatz des Stoffwechsels. Der größte Teil der Energie geht an Wärme verloren. Dadurch dass die wenigsten Menschen heutzutage richtig schwimmen können, gehen bei Vielen einige der Vorteile dieser Sportdisziplin gegenüber denen an Land verloren.

Eine unökonomische Schwimmtechnik lässt die Herzfrequenz und den Blutdruck überproportional ansteigen. Und die aus Kohlenhydraten gewonnene Energie in der Muskulatur führt zu einer kräftigen Übersäuerung durch den Anstieg der Laktatkonzentration (Salz der Milchsäure).

Neben den bei mangelnder Schwimmtechnik ungewünschten Nebenwirkungen im Bereich des Herz-Kreislaufsystems und des Stoffwechsels, kann es auch aus orthopädischer Sicht zu negativen Begleiterscheinungen kommen. In der Schule lernen die Kinder -wenn überhaupt- meist Brustschwimmen. Dieser Schwimmstil kann in Abhängigkeit der beherrschten Technik die Halswirbelsäule belasten, wenn der Kopf aus dem Wasser angehoben wird und die Lendenwirbelsäule, wenn der Schwimmer bei fehlender Körperspannung ins Hohlkreuz absackt. Bei der Beingrätsche kann es zudem Fehlbelastungen aufs Kniegelenk geben. Deshalb reduziert Schwimmen auch aus orthopädischer Sicht den Gesundheitsaspekt deutlich. Gesünder wäre, die Kraul- oder Rückenkraultechnik anzuwenden. Diese wird aber von den wenigsten Menschen hierzulande beherrscht.

Belastungsdosierung im Schwimmen setzt Erfahrung voraus

Zur Gestaltung des Trainingsprozesses gehört eine sportartspezifische Diagnostik, wie wir sie für Läufer mit einem Stufentest auf dem Laufband oder für Radfahrer auf dem Ergometer vorfinden. Für Schwimmer bleibt lediglich die Möglichkeit, im Schwimmbad mit stufenförmig steigender Geschwindigkeit die Bahnen zu ziehen und dabei Herzfrequenzen und Laktatwerte zu messen. Dies setzt aber Erfahrung voraus, die bei Gesundheitssportlern selten anzutreffen ist.

Eine Trainingssteuerung beim Schwimmen ohne Leistungsdiagnostik über die für Landsportarten bekannten Formeln für Herzfrequenzrichtwerte vorzunehmen (z.B. 60 % bis 80 % von der statistischen Höchstgrenze der Herzfrequenz von 220 Schlägen pro Minute minus Lebensalter) funktioniert nicht, da diese im Wasser keine Gültigkeit haben. Einen wesentlichen Einfluss auf den Belastungsparameter Herzfrequenz hat die beherrschte Schwimmtechnik.

Wenn Sie nun nach Abwägung der genannten Argumente dennoch Schwimmen als Ihren Favoriten ansehen, dann ist zu empfehlen, sich für einen Zeitraum einen Personal Trainer zu engagieren, um mit ihm Ihre Schwimmtechnik zu optimieren oder Aquajogging als Alternative in Betracht zu ziehen.

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Fitnesslehrer Akademie und der Berufsakademie für Sport und Gesundheit in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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