Diabetes: Eine Frau prüft ihren Blutzuckerwert mit einem Messgerät am Finger.

Volkskrankheit Diabetes

Mittwoch, 3.11.2021

Medikatmente, Ernährung, Bewegung: Was Diabetes ist und welche Therapien es gibt, verrät Dir unser Experte Dr. Gimbel.

©Foto: zakalinka, Adobe Stock

In Deutschland gibt es ca. 7 Millionen Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind. Gegenüber Ende der 90er Jahre bedeutet dies eine Steigerung um fast 40%. Jährlich kommen ca. 500.000 Neuerkrankungen dazu. Ca. 95% der Erkrankten leiden unter Typ-2-Diabetes. Die Ursache für diese Zivilisationserkrankung liegt in der Lebensweise der Patienten. Falsche Ernährung und zu wenig Bewegung führen dazu, dass der Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel außer Kontrolle gerät. Die anderen 5% gehören zu den Typ-1-Diabetikern. Bei dieser angeborenen Autoimmunerkrankung zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden (Beta-) Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Dadurch kann dieses Hormon, das als einziges in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu senken, nicht mehr gebildet werden.

Die Medizin nennt 3 Therapiesäulen: Medikamente, Diät und Bewegung. Bewegung wirkt dabei wie Insulin. Durch die körperliche Aktivität kommt es zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels.

Der Blutzucker-Regelkreis: zwei Begriffe zum Verständnis der Erkrankung

Die Zucker- (Glukose-) Konzentration im Blut unterliegt einer strengen Regulation. Beim gesunden Menschen liegt sie nüchtern zwischen 80 und 120 mg/dl (4,4 und 6,6 mmol/l). Nach einer Mahlzeit steigt der Blutzuckerwert in Abhängigkeit zu der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate an. Nach körperlichen Aktivitäten sinkt der Wert, je nachdem wie lange und wie intensiv die Belastung andauerte. Die Veränderungen werden über Sinneszellen (Rezeptoren) an übergeordnete Zentren im Zwischenhirn (Hypothalamus und Hypophyse) gemeldet, die ihrerseits dann die Bauchspeicheldrüse darüber informieren. Wird eine Senkung des Blutzuckerspiegels angezeigt, dann produziert die Bauchspeicheldrüse das Hormon Glukagon (der Gegenspieler von Insulin). In der Folge wird die Speicherform der Kohlenhydrate (Glykogen / Stärke) abgebaut und Glukose aus den Muskel- und Leberdepots ins Blut freigesetzt. Auch andere Hormone aus der Nebenniere (Adrenalin und Cortisol), das Wachstumshormon (Somatotropin) oder die Schilddrüsenhormone können zur Erhöhung der Blutzuckerkonzentration beitragen. Wird dem Zwischenhirn eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels gemeldet, dann erhalten die Betazellen der Bauchspeicheldrüse den Befehl, Insulin zu produzieren. Dadurch werden Zuckermoleküle aus dem Blut entfernt und in den Kohlenhydratdepots (Leber und Muskulatur) und in den Fettzellen gespeichert.

Das Ziel der Regulation: den Blutzuckerwert ständig auf dem vorgegebenen Niveau von ca. 100 mg/dl zu stabilisieren.

Ungesundes Verhalten mit zu energiereicher Ernährung aus kurzkettigen Kohlenhydraten und tierischen Fettsäuren in Kombination mit zu geringen Bewegungsaktivitäten führen dazu, dass der Regulationsprozess mit der Zeit außer Kontrolle gerät. Es kommt zu einem Stoffwechselfehlverhalten. Die Rezeptoren, die normalerweise dafür sorgen, dass das Insulin seine Wirkung entfalten kann, verlieren beim Typ-2-Diabetikes ihre Empfindlichkeit, auf das Hormon zu reagieren (relativer Insulinmangel). Durch diese Insulinresistenz können die Glukosemoleküle nur vermindert in die Zellen gelangen (Glukoseintoleranz). Die normale Regulation des Blutzuckers ist gestört. Beim Typ-1-Diabetikes liegt ein absoluter Insulinmangel vor, da die Betazellen nicht mehr vorhanden sind und deshalb kein oder nicht ausreichend Insulin produzieren können.

Jede höhere Abweichung vom Zielbereich von 80 -120 mg/dl kann zu gefährlichen, lebensbedrohlichen Situationen führen. Hypoglykämie oder Unterzuckerung tritt bei einer Glukosekonzentration < 70 mg/dl auf. Von Hyperglykämie oder Überzuckerung wird gesprochen, wenn die Blutzuckerwerte die sogenannte Nierenschwelle von circa 180 mg/dl überschreiten und Zuckermoleküle im Urin feststellbar sind.

Die 3 Therapiesäulen bei Diabetes mellitus

Da Diabetes häufig mit Übergewicht einhergeht bedeutet, dass gesundes Ernährungsverhalten immer mit Bewegung kombiniert werden soll. Bei Umstellung der Ernährung auf eine Diät leidet häufig die Lebensfreude und ist deshalb selten von Erfolg gekrönt. Je mehr das Körpergewicht auf natürliche Weise gesenkt wird, desto größer ist der positive Einfluss auf den Diabetes. In jedem Fall sollte die Energieaufnahme reduziert und der Energieverbrauch über körperliche Aktivitäten gesteigert werden. Auch wenn keine Gewichtsreduktion erforderlich ist oder gewünscht wird, ist besonders auf die Qualität der Kohlenhydrate bei der Nahrungsaufnahme zu achten. Nicht süße, langkettige (sog. gute) Kohlenhydrate (Stärke), wie sie beispielsweise in Getreideprodukten, Kartoffeln, Nüssen und Hülsenfrüchten vorkommen, sind den süßen, kurzkettigen (sog. schlechten) Kohlenhydraten vorzuziehen. Wegen des hohen Ballaststoffanteils liefern sie weniger Energie und bieten einen hohen Sättigungseffekt. Ihr niedriger glykämischen Index bringt den Blutzuckerspiegel nicht so stark aus dem Gleichgewicht wie die ungesunden kurzkettigen Zucker.

Testen Sie frühzeitig, ob bei Ihnen die Gefahr eines Diabetes Mellitus vorliegt.

Die Deutsche und Amerikanische Diabetes Gesellschaft nennen 4 Methoden zur Diagnosefindung:

  • HbA1c-Wert (Blutzucker-Langzeitwert) von 6,5 % (48 mmol/mol) oder höher
  • Blutzuckerwert nüchtern von 126 mg/dl (= 7,0 mmol/l) und höher
  • 2-Stunden-Blutzuckerwert nach einem oralen Glukosetoleranztests(oGTT): 75 g Glucose werden in Wasser gelöst. Nach 2 Stunden Ruhe Blutzuckerspiegel von 200 mg/dl (= 11,1 mmol/l) und höher
  • Gelegenheits-Blutzucker: gesteigertes Durst-, Schwächegefühl, erhöhte Urinausscheidung; Blutzuckerspiegel im nicht nüchternen Zustand von 200

Erfahren Sie in meinem nächsten Artikel, warum Bewegung bei Diabetes wichtig ist.

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gründer und Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit (dba) in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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