Männergesundheit: 2 Herren im Sportoutfit schlagen die Hände ein

Man(n) kümmert sich um seine Gesundheit – Oder?

Freitag, 19.11.2021

Zum internationalen Männertag am 19.11.2021 sollen sich weltweit alle Männer ihrer Gesundheit bewusst werden. Dieses Thema versucht Dr. Gimbel von allen Seiten zu beleuchten.

©Foto: realstock1, Adobe Stock

Eigentlich sollte man meinen, dass ich es als Gesundheitsexperte und zudem noch männlicher Autor einfach haben sollte, einen Artikel über Männergesundheit zu schreiben. Je intensiver ich mich aber mit diesem Thema beschäftige, desto komplexer und diffuser wird es. Es gibt viele Mythen darüber, meine langjährigen Erfahrungen und eine Menge fundierter Fakten. Oftmals passen diese nicht zusammen.

Männergesundheit: Was ist das denn?

Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit „ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen“.

Männer sterben nach den Zahlen des statistischen Bundesamtes von 2020 durchschnittlich mit 78,6 Jahren und damit ca. 5 Jahre früher als Frauen, die 83,4 Jahre erreichen. Dies ist nicht allein genetisch erklärbar, denn der Überlebensvorteil von Nonnen gegenüber Mönchen unter annähernd gleichen Lebensbedingungen im Kloster beträgt nur etwa 1 Jahr.

Gesundheit spielt für viele Männer eine Nebenrolle. Die männlichen Stereotypen wie z.B. Stärke, Tapferkeit, Macht führen dazu, weniger achtsam mit sich umzugehen als Frauen. Warnsignale bleiben unbeachtet, der Arztbesuch wird als Schwäche verstanden. Trotz des sich verändernden traditionellen Rollenverständnisses nehmen viele Männer gesundheitliche Risiken in Kauf, so dass entstehende Krankheiten zu spät festgestellt werden und dann einen schweren Verlauf nehmen. Gesundheitsfördernde Angebote finden weniger Beachtung als bei Frauen, sie kümmern sich unzureichend um ihre Ernährung und trinken insbesondere in jungen Jahren häufig mehr Alkohol, als es gesundheitlich vertretbar ist. Psychische Probleme sind bei Männern meist ein Tabu. Gleichzeitig „Starker Mann“ und psychisch erkrankt zu sein passt nicht zusammen. Tatsächlich zeigen Statistiken, dass bei Männern deutlich weniger Depressionen diagnostiziert werden als bei Frauen. Dennoch begehen dreimal so viele Männer Selbstmord als Frauen. Ca. jeder 50. Todesfall eines Mannes ist eine Selbsttötung. Ursache dafür sind Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit und soziale Krisen. Der Widerspruch zeigt, dass die Dunkelziffer von psychisch erkrankten Männern deutlich höher sein muss als bekannt. Kurz nach dem Suizid des ehemaligen Nationaltorwartes Robert Enke rückte die Thematik zwar kurzzeitig in die öffentliche Aufmerksamkeit. Mittlerweile scheint sie aber wieder in der Versenkung verschwunden.

Männergesundheit ist sowohl ein individuelles als auch ein gesellschaftliches Thema. Deshalb ist es wichtig mit Männern zu kommunizieren, um ihre Wahrnehmung dafür zu stärken und mittels Informationen ihre Gesundheitskompetenz zu fördern.

Mythen zur Männergesundheit

Nein, es ist nicht wahr, dass Fahrradfahren auf Dauer impotent macht, wie es immer wieder heißt. Auch wenn Männer lange und oft auf dem Rad sitzen und „Strecke machen“, tragen sie keine bleibenden Schäden davon. Stattdessen können auftretende Schmerzen im Lendenbereich eher auf eine falsche Satteleinstellung zurückzuführen sein.

Männer kommen auch nicht in die Wechseljahre, wie immer wieder behauptet wird. Zwar sinkt ihr Testosteronspiegel etwa um ein bis zwei Prozent ab dem 40. Lebensjahr, aber meist hat dies keine großen Auswirkungen zur Folge. Nur 3 bis 5% der über 60-jährigen Männer leiden unter einem nachgewiesenen Testosteronmangel. Ansonsten können die beobachtbaren Veränderungen in dieser Altersgruppe wie depressiven Verstimmungen, Gewichtszunahme oder Libidoverlust, vielfältige Ursachen haben. Die von Frauen bekannten Hitzewallungen treten dagegen bei Männern so gut wie nie auf.

Um das Testosteron ranken sich viele Mythen über Männer und Männlichkeit. Weder macht mehr von diesem Sexualhormon Männer potenter, noch werden sie dadurch bessere Liebhaber. Im Gegenteil, wie die Dopingforschung zeigt. Zu viel davon stört sogar ihre Potenz und ihr Libido. Mit normalem Level sind sie friedlicher, ruhiger und sozialer.

Der immer wieder diskutierte Männerschnupfen, der satirisch die mangelnde Tapferkeit beschreibt, wenn „Mann“ mal wieder mit Grippe zu Hause im Bett liegt, nicht arbeiten kann und sterben möchte, ist dagegen kein reiner Mythos. Das Sexualhormon Östrogen regt im Unterschied zum Testosteron die Vermehrung von Abwehrzellen an. Deshalb reagiert das spezifische Immunsystem von Frauen beim Eindringen von Krankheitserregern schneller und effektiver als das des Mannes. Auch genetisch ist der Mann diesbezüglich gegenüber der Frau benachteiligt. Da auf dem X-Chromosom viele Gene für die Abwehr von Krankheitserregern liegen, der Mann aber davon nur eines im Chromosomensatz seiner Körperzellen besitzt, scheint er tatsächlich bei Infektionen stärker als Frauen leiden zu müssen.

Fakten zur Männergesundheit

Zum Glück gibt es auch harte Fakten, z.B. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2020. Über einige davon möchte ich Ihnen an dieser Stelle berichten:

Das Krebsrisiko, das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt, für Unfall und für Suizid ist bei den Männern im Schnitt deutlich höher als bei den Frauen. Übergewicht ist ein bedeutendes Thema, denn 61,6% der Männer sind übergewichtig und haben demnach einen Body Mass Index von > 25 (Frauen 46,7%). Nach wie vor rauchen 26,4% der Männer (Frauen 20,2%), obwohl jeder weiß, dass rauchen der Gesundheit schadet. In jungen Jahren sind Männer dem Sport eher zugeneigt als Frauen, aber mit zunehmendem Alter verzeichnen Männer im Vergleich zu Frauen einen stärkeren Bewegungsrückgang. Durch Anstieg der Risikofaktoren steigt die Gefahr von Herzinfarkten, aber auch von Krebserkrankungen. 142.470 Männer mussten 2020 wegen eines Herzinfarktes im Krankenhaus behandelt werden (Frauen 69.752). Insgesamt erkranken etwas mehr Männer als Frauen an Krebs. Am häufigsten tritt bei ihnen Prostatakrebs auf (58.780), gefolgt von Lungen- (35.960) und Darmkrebs (32.300).

Die Mehrheit der Männer (75,7%) kennt zwar die Angebote der Krankenkassen zur Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Weniger als die Hälfte der Männer (40%) nehmen sie allerdings regelmäßig in Anspruch (Frauen 67,2%).

Körperliche und geistige Erschöpfung ist auf dem Vormarsch. Seit 2010 hat sich die Zahl der Männer verdreifacht, die darunter leiden.

Meine Erfahrungen

Mythen können lügen, Erfahrungen dagegen nicht. Sie drücken stattdessen das zufällige und subjektive Erleben von Personen aus. Häufiger erlebe ich bei Veranstaltungen, dass Paare auf mich zukommen und die Frauen mir erzählen, „mein Mann will sich mal darüber informieren…“ oder „können Sie meinem Mann mal erklären, was er tun muss, um…“. Könnte ich, aber es ist oft vergeudete Zeit. Die genannten Männer wollen meist weder Informationen noch etwas tun. Nach dem Willen ihrer Frauen, sollen sie aber wollen. Vermutlich ist dieser Weg zum Scheitern verurteilt, denn sich mit Gesundheit zu befassen und erfolgreiche Strategien für sich zu entwickeln bedeutet einerseits, fundierte Informationen zu sammeln und daraus Handlungen abzuleiten, von denen man(n) überzeugt ist, dass sie wirken.

Ich selbst kümmere mich intensiv um meine Gesundheit. Ich gehöre damit nicht zu den „Schustern mit den schlechtesten Schuhen“. Sport ist „mein Ding“. Seit meiner Jugend bewege ich mich, bin sportlich, fahre im Jahr zwischen 3.000 und 4.000 km Rad oder trainiere auf dem Ergometer. Dies nicht nur, weil ich genetisch vorbelastet bin, um Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen, sondern weil es mir Spaß macht. Ich weiß, dass auch Krafttraining wichtig ist. Dies macht mir aber weniger Freude. Deshalb ist an dieser Stelle Optimierungspotenzial vorhanden. Ernährungstechnisch ginge es auch noch besser. Hin und wieder greife ich entgegen besseren Wissens lieber beim Frühstück zu Weißmehlbrötchen als zu jenen mit vollem Korn. Und zu einem guten Essen gehört für mich auch meist ein Gläschen Wein. Ich esse liebend gerne frischen Salat in allen Variationen mit einer schmackhaften Soße. Auch Gemüse und Obst gehören zu meinem Speiseplan. Auf Fleisch möchte ich nicht vollkommen verzichten und als Spanienfan steht frischer Fisch ganz oben bei meinen Lieblingsspeisen.

Stress kenne ich selten. Ich habe eine intakte Familie und wenige, aber dafür langlebige enge Freundschaften. Zum Thema Männergesundheit gehören auch Vorsorgeuntersuchungen. Diese nehme ich regelmäßig bezüglich der Darmkrebsvorsorge wahr. Auch mein Herz-Kreislaufsystem ist bestens untersucht. Mein Hausarzt sieht mich unregelmäßig, aber dennoch ca. alle 1 bis 2 Jahre zu einem Blutbild und zum Ultraschall meiner inneren Organe. Reich werden konnte zum Glück bislang keiner der mich betreuenden Ärzte. Und auch die Apotheken würden nicht überleben, wenn es ausschließlich Patienten wie mich gäbe.

Fazit

Die kürzere Lebenserwartung des Mannes auf die Gene zu reduzieren wäre falsch. Das veränderte Rollenverständnis in der Gesellschaft zeigt, dass Männer nicht mehr wie früher ihren Job zur Versorgung der Familie in den Fokus rücken, sondern dass sie sich auch verstärkt um Partner und Kinder kümmern möchten. Auch wenn dies eine positive Entwicklung ist und der Entspannung dienen kann, scheint die damit verbundene Zeit auf Kosten von anderen Aktivitäten zu gehen, wie beispielsweise sich der Prävention zu widmen. Den Blick auf die eigene Gesundheit zu verlieren, ist aber keine empfehlenswerte Option.

Das Wissen darüber ist meist in Abhängigkeit der Bildung und des sozialen Status ausreichend vorhanden. Es mangelt scheinbar an erfolgreichen Strategien. Vielleicht liegt es an den Kommunikationskanälen, die Frauen besser erreichen als Männer? Fehlt es an zielgenauen Angeboten im betrieblichen Umfeld, die unkompliziert und spontan wahrgenommen werden können? Sind die vermittelten Informationen zu kompliziert und zu wenig motivierend?

Vielleicht bietet der Männertag eine Gelegenheit, sich über zukünftige Strategien Gedanken zu machen. Ziel ist es dabei sicherlich nicht, zukünftig den Zustand eines Gesundheitsapostels anzustreben. An meinem Beispiel wird deutlich, dass es auch bei mir gesundheitliche Optimierungsmöglichkeiten gibt.

Eine Selbstanalyse kann helfen, Ihren Ist-Zustand festzustellen, um daraus Bedarfe abzuleiten. Wenn Sie mehrere feststellen, dann ordnen Sie diese nach Prioritäten. Alle gleichzeitig anzugehen könnte bedeuten, zu viel von sich selbst zu erwarten und den roten Faden zu verlieren. Warten Sie nicht bis morgen. Starten Sie jetzt. Überlegen Sie nicht, auf was Sie verzichten müssen, sondern denken Sie an die Vorteile, die Sie durch ein gesünderes Leben bewirken können. Es gibt nur eine Gesundheit, aber diese kann durch viele Krankheiten gefährdet werden.

Wenn es mir mit meinem Blog-Beitrag zur Männergesundheit gelungen ist, das Thema in den Köpfen meiner Spezies präsenter zu machen und zum Handeln anzuregen, dann ist mein Spagat gelungen.

Ich wünsche Ihnen viel (Männer)Gesundheit und Erfolg beim Beschreiten Ihres Weges.

Ihr Dr. Bernd Gimbel

Bernd Gimbel © privat
Dr. Bernd Gimbel ist Gründer und Gesellschafter der KörperManagement® KG. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesausschusses für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund tätig. Derzeit lehrt er als Dozent an der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit (dba) in Baunatal. Zudem ist Dr. Gimbel Autor mehrerer Bücher über Körpermanagement.
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